Dienstplanung besser machen: Interview mit dem Experten Peter Sausen

Ein Interview mit Peter Sausen, dem Rechtsanwalt für Arbeitsschutz und Berater für Dienstplangestaltung.

Herr Sausen ist Rechtsanwalt mit Hingabe. Von klein auf entwickelte er eine Leidenschaft für das Rechtswesen, was durch seine Spezialisierung auf das Arbeitsrecht nur noch verstärkt wurde. Durch familiäre Beziehungen kam er erstmals in Kontakt mit der Pflege und rutschte letztendlich über alltägliche Fragestellungen zum Thema Arbeitsrecht und Dienstplanung in der Pflege in die Branche rein. 

“Dienstplanung in der Pflege, das fesselt mich. Ich bin froh, meinen Job in die Dienstplanung einbringen zu können.” 

In einem Interview verrät er uns, was ein erfolgreicher Dienstplan ausmacht und was es für die Pflegebranche bedeuten kann. 


Guten Tag Herr Sausen, Sie haben ein Buch über die Dienstplanung geschrieben, richtig?

Guten Tag. Ja, das ist richtig. Gemeinsam mit Herr Wipp, den Pflegeexperten in Deutschland, habe ich das Fachbuch „Der Regelkreisdienstplan” veröffentlicht. Entstanden aus der Diskussion rund um die ewige Fragestellung: Können wir die Dienstplanung in der Pflege nicht besser machen, was auch immer besser bedeutet? Das Fachbuch ist die Hoffnung, dass uns das alles besser gelingt. 

Das klingt sehr komplex. Sie haben es ja schon gesagt, was auch immer besser machen bedeutet. Was bedeutet “besser” denn für Sie? 

Das hängt immer von der Betrachtung ab. Welche Brille ich mir aufsetze, bestimmt, was ich sehe. 

Aus der Sicht der Geschäftsführung bedeutet besser eine bessere Wirtschaftlichkeit, weniger Zeitarbeit, weniger Überstunden und eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit. Aus der Sicht der Pflegekräfte ist es die eigene Zufriedenheit, weniger Belastung und das private Bedürfnisse berücksichtigt werden. 

Man muss alle Beteiligten, auch die Bewohner, in den Prozess mit einbeziehen. Den richtigen Dienstplan gibt es aber nicht. Man muss die Dinge in Balance bringen. 

Was ist denn Ihr Ansatz, wie Sie alles in Balance bringen?

Der erste Ansatz ist zu erkennen, dass man den Erfolg eines Dienstplanes nicht anhand des Soll-Plans messen kann. Das bedeutet der Dienstplan, welcher einen Monat vorher erstellt worden ist. 

Der Dienstplan kann erst dann bewertet werden, wenn die Ereignisse stattfinden und ein Monat abgeschlossen ist. Denn dann zeigt sich, wie sich der Soll-Dienstplan entwickelt hat, Ausfälle gemanagt wurden und was der Bedarf ist. 

Unser Ansatz ist, als erstes zu verstehen, dass es Eventualitäten gibt, die wir nicht berechnen können. Diese Erkenntnis zu akzeptieren ist der Ansatz einer guten Dienstplanung.

Wie wird diese Akzeptanz in den Dienstplan eingebaut? 

Wenn wir in Einrichtungen gehen und den Dienstplan analysieren, müssen wir oftmals feststellen, dass das Grundverständnis dafür, wie ein Dienstplan sein soll, fehlt. Viele Dinge werden oftmals nicht gesehen oder falsch gewichtet. Die Einrichtungsleitung versucht alle Wünsche zu berücksichtigen, aber die Grundversorgung der Bewohner wird nicht beachtet. 

Da muss man sich die Frage stellen, ob das so sein muss? War das schon immer so? 

Das ist eine große Herausforderung, die aber durch den Beginn des Problembewusstseins einen Lösungsansatz bietet. 

Was kann denn eine Einrichtung tun, die Ihnen zum Beispiel zuhört, aber noch nicht von alleine auf die Idee gekommen ist, zu Ihnen zu kommen, um den Anfang zu machen?

Das ist unabhängig von den Beratern und da zähle ich mich auch raus.  Aus Erfahrung kann ich sagen, dass Pflegekräfte ein sehr gutes Gefühl dafür haben, wo der Hase im Pfeffer ist. 

Bei der Herausforderung, die komplexen Zusammenhänge zu sehen, steigen die meisten leider wieder aus. Aufgrund dieser Komplexität gibt es keine gute Dienstplanung in der Pflege. Oftmals fehlt der Impuls, die Ideen zu Ende zu denken und über die Konsequenzen hinaus weiter zu denken. Auch wenn es unbequem ist. Man muss sich Fragen stellen, die nicht populär sind. 

Lieb gewonnene Planunggrundsätze hinterfragen und ändern. Auch wenn das ganze Prozedere zu Diskussionen führt. Damit das Konzept der Dienstplanung vom Kopf zurück auf die Füße gestellt werden kann und das System der Dienstplanung von alleine laufen kann.  

Das klingt nach einer Herausforderung. 

 


Wir sind mit Ihnen als externer Berater für planhero schon oft gemeinsam in Kontakt getreten. Und häufig stellt sich die Frage: Ersetzt ein Dienstplan Tool die dienstplanende Person an sich?

Der Stand heutzutage ist, dass der dienstplanende Mitarbeiter so oder so nicht ersetzt werden kann, da er immer der Ausgangspunkt ist. Er muss das Tool mit Informationen füttern und die Spielregeln eintragen. Man muss das Tool also wie einen Werkzeugkasten sehen. Aber die Pflegefachkraft entscheidet, welches Werkzeug genommen werden muss. Das Dienstplanung Tool dient also eher als Erleichterung für den Dienstplaner, also ein Optimum. 

Das bedeutet, dass wenn man ein solches Tool nutzt, sich mit dem Thema, wie man seine Dienstplanung besser machen kann, auseinandersetzen muss? 

Das Tool ist nicht die Lösung und man muss bei dem Planen des Dienstplanes und dem Denken in der Einrichtung etwas ändern? 

Das ist richtig. Bestimmte Parameter muss man kennen und richtig einpflegen. Das kennt man ja, da es kaum noch Einrichtungen gibt, welche ohne ein Dienstplanungs Tool arbeiten. Das Füttern der Software mit Daten für eine weitere Bearbeitung ist erforderlich. Bauliche Besonderheiten, Personalschlüssel, Mitarbeiteranforderungen und Bewohnerpreferenzen. Da muss man auf sein Bauchgefühl vertrauen und hinterfragen, wenn sich etwas nicht richtig anfühlt. Daraus Schlüsse ziehen und wiederum diese Erkenntnisse in die Software eintragen, um etwas zu verändern. Es ist die Herausforderung, in den Werkzeugkasten zu schauen und daraufhin das richtige Werkzeug zu wählen und den Mut zu haben, etwas zu sagen, wenn etwas nicht passt und verändert werden muss. Und eben nicht das hinnehmen, was einem vorgesetzt wird. 

Also geht es darum, der Pflegebranche ein Stück weit die Hilflosigkeit zu nehmen. 

Wie Sie es am Anfang schon gesagt haben:
“Es ist halt so in der Pflege. - Nein, nichts ist so. Wir können alles ändern, wenn wir es wollen.”

Das ist eine großartige Einstellung.

Wie ist denn Ihr Ansatz, mit Ausfällen umzugehen? Sprich, wenn der Soll Dienstplan erstellt wurde und der Ist Dienstplan läuft, aber jetzt ein Ausfall kommt? 

Da müssen wir erst einmal definieren, was ein Ausfall überhaupt ist. Der Ausfall, den Sie jetzt beschrieben haben, dass ein Mitarbeiter wegen einer Erkrankung ausfällt, ist der unangenehmste. 

Was jetzt zu tun ist, hängt ganz davon ab, wie die Einrichtung aufgestellt ist, sprich also die Vorbereitung auf den Ausfall. 

Da bin ich dann wieder bei der Soll-Dienstplanung. Eine durchdachte Dienstplanung ist eine, die bestimmte Parameter berücksichtigt, wie zum Beispiel Regelbesetzung und auch Kenntnis darüber hat, wenn sie in den Bereich der geschädigten Pflegeversorgung kommt.  

Also, was ist meine Mindestberechnung? Ein auf diesen Überlegungen basierender Soll-Dienstplan hat die Möglichkeit, einen Ausfall zu managen. Da ist es dann auch entscheidend, welchen Denkansatz der Dienstplanende hat. Wenn er es als wichtig empfindet, Mitarbeiter aus dem Frei zu holen, um die Pflegeversorgung zu retten, dann ist dieser von der Perspektive der Pflege aus in Ordnung. 

Aber wenn man nun einen Mitarbeiter fragt, wird dieser natürlich nicht viel von diesem Dienstplan halten, da er seiner verdienten freien Zeit beraubt wurde. Deshalb ist für uns ein Ansatz im Soll-Dienstplan den Bedarf der Bewohner und eine Abdeckung der verschiedenen Schichten zu jeder Zeit zu berücksichtigen. 

Dafür gibt es natürlich Ansätze, die in meinem eben genannten Buch, Regeldienstkreisplanung, aufgegriffen werden. Ebenso müssen für gutes Ausfallmanagement Ansätze beschrieben werden, die in einem abgestuften System Ansätze liefern. Das bedeutet, dass jeder von der Idee zurückkehrt, dass jeder Wohnbereich ein Einzelkämpfer für sich ist. 

Es ist eine Einrichtung, in der man gemeinsam arbeitet. Man agiert also auch als Team. Als nächster Schritt würden Joker Dienste in Anspruch genommen werden. Also Mitarbeiter von Aufgaben abziehen und andern zuzuordnen. Und wenn das alles nicht funktioniert, dann muss man erst aus dem Frei holen. 

Dennoch muss das Ziel sein, Mitarbeiter nie aus dem Frei zu holen. Das ist unser Ansatz. 

Hier hören wir oft den Einwand, dass Einrichtungen nicht genügend Personal und Pflegefachkräfte haben, um so zu planen. Ist das wahr oder wird das von den Einrichtungen nur so empfunden, weil ihre Dienstplanung nie optimal war?

Wir können den Fachkräftemangel nicht weg diskutieren. Jedoch ist es leider in vielen Einrichtungen die Ausgangslage, dass sie, wenn sie genügend Personal hätten, es immer noch falsch einsetzen würden. 

Das ist dann unser Ansatz, zu schauen, ob es wirklich an dem Personalmangel liegt. Das ist aber eine sehr subjektive Geschichte. 

Der Pflegeschlüssel für eine Einrichtung ist nicht der optimale Pflegeschlüssel für eine andere Einrichtung. Letztendlich ist es die Verteilung der wertvollen und knappen Ressource Arbeitszeit, welche den Ist-Dienstplan so am Leben erhält, dass die Mitarbeiter zufrieden sind. 

Das ist eine riesige Herausforderung. 

Es gibt ganz klare Grenzen, wo eine Unterdeckung des Personals auch dazu führt, dass der Dienstplan aus der Sicht der Mitarbeiter nicht gut werden kann, aber das Bestmögliche aus der Situation holt. Das sollte man als Chance sehen.  

Vielleicht können Sie explizit nochmal die Gewinne der Einrichtungen aufzählen, wenn sich Einrichtungen diesen Herausforderungen stellen. 

Wenn Einrichtungen diese Projekte so umsetzen, wird es natürlich darauf hinauslaufen, dass Mitarbeiter zufriedener sein werden. Zufriedene Mitarbeiter werden weniger krank und verlassen auch nicht das Unternehmen. Das haben wir in den Projektverläufen gesehen. 

Und was man auch nicht vergessen darf: Pflegekräfte kennen Pflegekräfte, welche es weitergeben werden, wo es sich gut arbeiten lässt. 

Wenn man diesen Ansatz mit in die Zielplanung übernimmt, lassen sich Leasing Ansätze verringern. Überstunden in Kauf nehmen und von vornherein überplanen, das muss alles nicht sein.

Was sind denn die wirtschaftlichen Gewinne dahinter? 

Eine gute Versorgung unserer Mitbürger und die Vermeidung unnötiger Kosten. Es hilft nicht, das eine halbe Jahr unwirtschaftlich zu planen und es in der zweiten Jahreshälfte mit Unterbesetzung auszugleichen. Das geht nicht. Jeder Mitbürger hat das Recht auf die beste Pflege. Jede Sekunde im Jahr. 

Die Wirtschaftlichkeit im Unternehmen fällt natürlich auf die Bewohner zurück. Das ist ein Fakt, den Mitarbeiter nicht so interessant finden, aber für die Führungsebene von Belangen ist. 

Zwangsläufig ist es auch in der ambulanten Pflege so, dass einzelne Träger in die Insolvenz fallen, da die Dienstplanung nicht optimal ist. Und es ist unschön, dass es erst dazu kommen musste, da es sich ja vermeiden lässt. 

Dazu kommt, dass Ziele der Dienstplanung mit verlässlicher und guter Qualität mit Mitarbeiterzufriedenheit Hand in Hand gehen. Das ist für uns dann eben der Regelkreis. 

Haben Sie denn noch ein weiteres Herzensprojekt in der Pflege oder außerhalb der Pflege, um das Sie sich kümmern? 

Die Dienstplanung nimmt einen beachtlichen Anteil meiner Beratungszeit in Anspruch. Diese Aufgaben sind aber bei weitem nicht so anstrengend wie die einer Pflegekraft. 

Das darf ich mir nicht anmaßen und ich habe die größte Hochachtung davor, was Pflegekräfte tagtäglich leisten. Denn selbst meine Familie und ich waren schon mehrere Male auf Pflege angewiesen. 

Ein weiteres Herzensprojekt wäre für mich das Reisen und mehr Freizeit. Obwohl ich meinen Beruf als Berater so spannend finde und meine Hobbys weitgehend zum Beruf gemacht habe, muss ich darauf achten, mehr Balance in mein Leben zu bringen. 

Und wenn ich irgendwann mal die Chance hätte zu sagen: “Wir haben jetzt für alle Einrichtungen in Deutschland ein Planungssystem gefunden. Und zwar eins aus der Branche mit allen Beteiligten aus der Branche zusammenarbeitend, mit dem Ziel einer guten Versorgung und mit zufriedenen Mitarbeitern, dann haben wir schon viel erreicht. 

Das wäre natürlich ein Traum. 

Dann kann man sich auch auf die Schulter klopfen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg und ich leiste weiterhin meine kleinen Beiträge. 

Ich glaube, das ist schon ein sehr großer Beitrag. 

Haben Sie noch eine Idee, was an Umdenken stattfinden muss, damit Ihr Auftreten nicht als Bedrohung wahrgenommen wird? 

Es ist schon so, dass die Pflegekräfte und PDL´s wissen, dass es Herausforderungen gibt. Es ist klar, dass der Angesprochene sich in seiner Arbeit angegriffen fühlt, wenn so viele Ansprüche an einen Dienstplan gestellt werden und dann ein Außenstehender kommt und sagt: “ Ich habe da eine Idee. Da könnte man doch was machen, um das zu verbessern.” 

Da kann ich nur betonen, das ist nicht so. Ich weiß unter welchem Druck die Planenden stehen. Auch welchen emotionalen Druck, es allen gerecht machen zu wollen. Sie kommen teilweise selber aus dem Team, haben jetzt die Seite gewechselt und wollen alles besser machen und stehen jetzt vor der Leitplanke. 

Und jetzt kommt jemand und sagt, diese könnte man doch verschieben oder muss die Leitplanke überhaupt da sein?

Da wünsche ich mir, dass man diese Impulse zulässt. Das muss ich auch machen, um Dinge auf den Prüfstand zu stellen, um zu einem noch besseren System zu kommen. Und da kann ich auch nur dazu aufrufen, Selbstkritik zu üben. 

Fehlerkultur war lange ein Thema in der Pflege, und kann auch mal passieren. Aber diese selbst zu erkennen, das ist der erste Schritt. Das betrifft jeden und ich wünsche mir, dass das als Chance gesehen wird. 

Auch wenn es viel Zeit beansprucht, diese Türen aufzumachen. Vielleicht ist euer Dienstplan nur in eurer Welt perfekt. 

Aber die Welt hört nicht am Tellerrand auf und wir müssen über diesen hinaus blicken und weitere Ansätze angehen. 

Alte Denkweisen aufzubrechen führt zu guten Ergebnissen. Ob wir diese Denkweisen nur anpieksen oder sie intensiv begleiten, das ist jedem Einzelfall geschuldet und am Ende zählt da nur das Ergebnis.

 Diese Einstellung finde ich sehr gut. Ich hoffe, dass wir hier jedem den Anstoß gegeben haben nochmal selber zu schauen, ob es mit der eigenen Dienstplanung klappt und mit Ihnen für einen Beratungstermin in Kontakt tritt. 

Oder überhaupt erstmal zulässt, zu hinterfragen, warum der Dienstplan sich nicht gut anfühlt. Und dann auch andere Berater aufsucht. Denn so wird die Dienstplanung peu à peu besser. Ob mit mir oder durch mich. Gemeinsam. 

Dann sage ich Danke für ihre Offenheit und den Austausch. 

Vielen Dank! 

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